ENTBINDUNGSSTATION

FÜR OUAREGOU

Meine Erfahrungen mit Geburten in Ouarégou

Mein Name ist Kadietou Sare. Ich wurde in einem kleinen Dorf namens Beguedo in Burkina Faso geboren, wo Mädchen in einem frühen Alter dazu aufgefordert werden zu heiraten und Kinder zu gebären. In dieser Zeit konnte ich miterleben, wie Frauen während ihrer Schwangerschaft viel leiden mussten, insbesondere während der Geburt. Die meisten Frauen gebären zu Hause, da es kein Krankenhaus gibt oder das Krankenhaus zu weit entfernt liegt. Außerdem glauben die Dorfbewohner, dass es keinen Unterschied macht, ob man im Krankenhaus oder zu Hause ein Kind bekommt.

Drei Monate vor der Geburt meines ersten Babys, starb die Frau einer unserer Nachbarn unter Schmerzen bei der Geburt. Niemand konnte sie zum Krankenhaus bringen, denn es gibt keine Transportmittel für eine solche Situation. Ich glaube, dass wenn man sie ins Krankenhaus gebracht hätte, dann hätte man zumindest das ungeborene Kind retten können. Ähnliches passiert leider bei sehr vielen Frauen und überall auf dem Land in Burkina Faso.

Ich erinnere mich, wie ich am Tag vor der Geburt meines eigenen ersten Kindes zur Arbeit ging und ich die Wehen spürte. Ich kochte und tat immer noch alles was ich jeden Tag getan habe. Selbst wenn ich irgendjemandem etwas von den Wehen erzählt hätte, niemand hätte etwas getan. Oder sie hätten gesagt, dass ich das nur sagen würde, weil ich nicht arbeiten möchte. Ich habe das sehr oft erlebt, wie dies bei anderen Frauen gesagt wurde. Es war August und Regenzeit, so dass es selbst mit Motorrad, Fahrrad oder Karren unmöglich war, zum Krankenhaus zu gelangen. Deshalb haben sich die alten Frauen im Haus meines Mannes um mich gekümmert. Sie mussten eine Frau vom Krankenhaus holen, um mir zu helfen, weil es zu lange dauerte bis mein Kind kam. Sie hatten alle Angst, dass mir etwas passieren könnte. Und das Schlimmste bei der Geburt war, dass es im Haus kein Licht gab. Die Geburtshelferin und die Frauen mussten Taschenlampen benutzen. Es gibt keinerlei Medikamente vor oder nach der Geburt und nachdem das Kind geboren ist, ist man auf sich allein gestellt. Eventuell baden dich ein paar alte Frauen nach der Geburt in gekochten Baumblättern, wobei sie sehr heißes Wasser benutzen. Und sie verschnüren deinen Bauch so fest wie möglich, um deinen Bauch nach der Geburt flach zu halten.

Selbst heute noch läuft eine Geburt so oder so ähnlich in meinem Dorf ab. Im Jahr 2018 ist meine Cousine bei der Geburt mit ihren Zwillingen gestorben. Als sie bei der Arbeit war und die Wehen einsetzten, gab es niemanden, der sie ins Krankenhaus hätte fahren können. Und nachdem sie tot war, wurde nicht einmal versucht ihren Körper ins Krankenhaus zu bringen, um gegebenenfalls die ungeborenen Kinder noch zu retten.

„Eine schwangere Frau steht mit einem Fuß im Grab und mit einem Fuß auf der Erde“

(Afrikanisches Sprichwort)

Die Säuglingssterblichkeit (Tod vor dem 1. Lebensjahr) lag 2017 in Burkina Faso bei 5,1 % [1] und bei 1000 Geburten starben 2015 im Schnitt 3,7 gebärende Frauen [2]. Zum Vergleich: In Deutschland liegt die Säuglingssterblichkeit bei ca. 0,3% [3] und bei 100 000 Geburten müssen nur 4 Frauen sterben [4]. Zwar sind die Raten in den vergangenen Jahrzehnten deutlich zurück gegangen [1][2][5], jedoch besteht weiterhin eine große Diskrepanz zwischen der städtischen und der ländlichen Bevölkerung [6]. So gilt noch immer für viele Frauen in Burkina Faso, wie auch in anderen afrikanischen Ländern südlich der Sahara, in denen die Zahlen ähnlich sind.